Scroll Top

Schnittmuster abnehmen für ein einfaches Top

Ich bin kein großer Fan davon Schnittmuster von fertigen Kleidungsstücken abzunehmen. Aber von Teilen, die wenig formgebende Details wie Abnäher und gekrümmte Teilungsnähte haben, kann man das schon machen. Dieses gekaufte Top hab ich schon ewig und will es genauso lange nachnähen. Es hat exakt die richtige Ausschnittbreite und -tiefe, ist genau richtig in der Weite und auch die Armausschnitte sind perfekt.

 

 

Schnittmuster kopieren

Im ersten Anlauf lege ich also mein Top auf ein großes Papier. Ich falte es dabei in der vorderen Mitte, so wie ich das Schnittmusterteil später auch im Bruch anlegen würde. So ganz überzeugt mich das Ergebnis nicht. Es handelt sich um eine recht locker gewebte Viskose, die sich jedesmal wenn man sie hinlegt anders verzieht. Also messe ich mehrmals die Länge aller Seiten nach und nehme am Ende den Mittelwert der höchst unterschiedlichen Ereignisse. Ein widerspenstiges kleines Ding. Vor allem die Winkel an Ausschnitt und Achsel treiben mich in den Wahnsinn.

 

 

Belege erstellen

Ich will, auch wenn es nur der erste Versuch ist, das Top anständig verarbeiten. Nachdem ich mich für die Ausschnittform festgelegt habe, kopiere ich die obere Form nochmal. Mit dem Abstandskreiderad von Prym gehe ich dann einfach am Schnittrand entlang. Die spitzen Ecken runde ich beim Ausschneiden etwas ab und habe ohne Aufwand einen Beleg.

 

 

 

Top nähen

Zuerst nähe ich mir die Träger. Bei so zarten Stoffen auf jeden Fall eine Verstärkung, zum Beispiel mit Formband, aufbringen. Sonst leiern die Träger später möglicherweise aus. Dann einfach auf links falten, nähen, Nahtzugabe zurückschneiden und mit der Wendenadel umdrehen. Die Träger dann direkt zwischen Beleg und Oberstoff setzen. Seitennähte schliessen, Saum nähen, zwei Dekoknöpfe dran, fertig. Insgesamt war ich drei Stunden beschäftigt.

 

Ergebnis fotografieren und Schnittkritik

Aktuell besucht uns meine Mama in Italien. Mit ihr zusammen habe ich einen Ausflug an die Amalfi Küste gemacht. Gute Gelegenheit das neue Teil auszuführen. Sie gab ihr Bestes mit meiner Kamera zurecht zu kommen und hat höchst motiviert geknipst.

 

Auf diesem Bild sieht man Ausschnittbreite und -tiefe sind mir gelungen. Klares Pro.

Aber der Wind, der hier sehr gemein einen Rettungsring in meine Taille bläst, zeigt dass da etwas zuviel Weite ist.

 

Von der Seite sieht man, dass der Armausschnitt ein klein wenig zu tief ist. Vielleicht erledigt sich das schon, wenn ich an den Seitennähten etwas weg nehme.

 

(Gaaaanz unauffällig habe ich in diesem Bild ein paar Menschen rausretouschiert.)

Insgesamt ein passables Ergebnis, das sich noch perfektionieren lassen sollte. Vielleicht Brustabnäher ergänzen!? Damit kann ich ganz wunderbar ein paar meiner Reststoffe verbrauchen.

 

 

Exkurs Amalfi und Positano

Das meist überbewertete und stressigste Ausflugsziel, das ich je besucht habe. Ich bin durchaus schon viel gereist.

Der Blick vom Schiff aus auf die Küste ist herrlich. Die steil aufragenden Berge direkt am tiefblauen Wasser sind wunderschön.

 

Vom Wasser aus, aus der Ferne sind auch die Orte zauberhaft.

 

Aber das Schiff verlassen ist der Schritt in die Touristenhölle. Beide Orte, die als die schönsten an der Amalfiküste beschrieben werden sind eine Art Disneyland. Eine reine Kulisse für Souvenirshopping. Es gibt je eine Kirche, die dem Wandel der Zeit trotzt, umgeben von Konsumterror. Die Schiffe spucken im Minutentakt hunderte und tausende von Menschen aus. Eine lebendige Walze, die sich durch die super engen Gassen schiebt. Gassen in denen kein Mensch mehr wirklich lebt. Ein Shop neben dem anderen mit exakt drei Produkten: Sandalen, die direkt an den Fuss genäht werden, Keramik mit Zitronenmotiven und Kleidung aus blauem Leinen. Hunderfach immer wieder das Gleiche. Eingezwängt zwischen fremden schwitzenden Leibern in der prallen Sonne. Und das war die Nachsaison! Venedig in der Hochsaison war dagegen Wellnessflanieren.

 

Am deprimierendsten ist am Ende die Busfahrt zurück. Im Kontrast zu diesen aufpolierten halben Quadratkilometern fällt der Zustand der Umgebung umso brachialer ins Auge. Kilometer um Kilometer Häuser im Zustand zwischen verwahrlost, runtergekommen und aufgegeben. Nichts von dem Geld, was die zahllosen Touristen und die Luxusyachten in den Häfen einbringen, scheint bei den Menschen der Region anzukommen.

Auch das zeige ich meinem Sohn. Die Welt ist nicht immer schön und selten gerecht.

 

Comments (2)

Ich bin von deinen Nähprojekten immer sehr beeindruckt.
Aber diesmal auch ein besonderes “Danke” für diese ehrliche Beschreibung deiner touristischen Erfahrungen. Ich reise auch sehr gerne und viel, und ich stimme dir absolut zu: die Welt ist nicht überall nur schön und positiv, aber auch das ist wichtig zu sehen.
Was mich allerdings wahnsinnig interessieren würde: wie organisierst du deine Nähsessions im Campervan? (Nähtisch, Lager, Materialien, Zuschnitt…?) Ich liebe nähen UND campen, aber ich habe es tatsächlich noch nie kombiniert. (Ich statte mich dann üppig mit Strickprojekten aus.😀)

Liebe Yvonne,
Danke fürs Kompliment 🙂
Ich habe vor ein paar Jahren mal einen Artikel dazu verfasst, den findest du hier: Nähen auf Reisen
Im Grunde mache ich es noch genauso.
Jetzt wo wir mehrere Monate unterwegs waren, habe ich noch ein wenig Zurückhaltung abgelegt und gehe direkt zu den Kinderanimationen der Campingplätze. Die haben oft legendär große Basteltische, die nur ein paar Stunden am Tag genutzt werden. Es hatte noch nie jemand was dagegen wenn ich dort Schnittmuster klebte oder Stoffe zuschnitt.
Das eigentliche Nähen im Wohnmobil ist mit viel Herumgeräume verbunden, da ich immer alles wieder wegräumen muss aber im Gegenzug hab ich ja viel Zeit.

Liebe Grüße,
Sam

Hinterlasse einen Kommentar