Ich war nach viel zu langer Zeit wieder auf einem LARP mit mittelalterlichem Fantasy Setting. (Falls du nicht weißt was genau LARP ist, gibt es hier ausführliche Erklärungen.) Mein Charakter Zora hatte letztes Jahr ihren ersten Auftritt. Da ich viel Spass mit diesem Charakter hatte und auch die Gruppe in der ich sie spiele einfach großartig ist, werde ich sie wohl länger bespielen. Ihr erstes Outfit hatte ich ebenfalls hier gezeigt. Nun wollte ich sie gern weiter ausstatten.
Das Tagesgewand
Letztes Jahr war Zora von einer mehrjährigen Reise bis ins ferne Indien heimgekehrt und hatte sich wieder ihrer Familie angeschlossen. Dementsprechend trug sie ein eher praktisches Gewand mit einer weiten Russhose, einem lockerem Hemd und einer warmen Jacke. Da sie nun eine Weile im Dorf Bogenwald sesshaft werden möchte, ist wieder ein weiblicheres Gewand mit Rock und Mieder angemessen.
Sowohl mit der Stoffwahl, als auch bei der Schnitterstellung wollte ich eine Mischung aus dem slawischen Hintergrund der Figur und den Einflüssen ihrer Reisen nach Indien kreieren. Die neuen Gewänder sind daher zu einem Teil aus Leinen und zum anderen Teil aus gebrauchten Saris, die ich bei Ebay erstanden habe, genäht.
Das Mieder
Das Mieder ist ein Schnitt, den ich mir selbst vor unzähligen Jahren zusammengebastelt habe. Ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen, wie ich den damals zusammengefrickelt habe. In jedem Fall sehr frei improvisiert. Aber er passte in den Proportionen immer noch perfekt, ich musste ihn nur minimal vergrößern. Irgendwie fast eine Weste mit Wiener Nähten, nur knalleng und vorne mit Schnürung. In den Nähten sind aus den Nahtzugaben Tunnel genäht und dort Spiralfederstahl eingesetzt. Komplett gefüttert und vorn die Schnürösen von Hand festgenäht. Obwohl ich sehr festen Canvas als Futter genommen habe, hat das Material während der fünf Tage auf der Veranstaltung arg nachgegeben. Man sieht, es bleibt aktuell kaum Schnürlücke und es könnte strammer sitzen. Mal sehen, ob ich das vor der nächsten Reise nochmal nacharbeiten kann. Coutil wollte ich nicht verwenden. Das ist der Stoff mit dem man derartiges eigentlich füttern sollte. Er ist so absolut nicht atmungsaktiv und damit leider für mich, um es über mehrere Tage zu tragen, inakzeptabel unangenehm.
Der Rock
Der Rock hat einen Formbund an den zwei Rockteile angesetzt sind. Der Leinenrock ist so in etwa ein halber Teller, ich habe einfach den vorhandenen Stoff bestmöglich ausgenutzt. Darüber habe ich einen Teil eines Saris ein Stück gekürzt und mit eingefasst. Eine super einfache Rockerstellung aber ich finde es wirkt trotzdem sehr effektvoll.
Das Ritualgewand
Zora bedient sich sowohl aus ihren Erkenntnissen aus dem indischen Yoga, als auch aus der Seelenheilung mittels Handlesen, Geisterkarten und Schutzrunen aus ihrer slawischen Herkunft. Klingt für nicht LARPer wahrscheinlich sehr abgedreht aber ich bin froh kein Reenactment zu betreiben und mich kreativ völlig austoben zu können. 🙂
Die Hose
Insbesondere für Yoga und Meditation wollte ich ein Gewand mit maximaler Bewegugsfreiheit und trotzdem eine leicht esoterische Ausstrahlung. Dafür habe ich mir von indischen Salwar (lockere Hosen, die zu Tunika oder auch unter dem Sari getragen werden) inspirieren lassen. Die Tulpenform mit nach vorn verlegter Seitennaht und ohne Innenbeinnaht hat mir besonders gut gefallen. Da ich kein Schnittmuster fand, habe ich einfach improvisiert. Aus einer vorhandenen Hose habe ich Vorder- und Hinterhosenteil jeweils mittig senkrecht geteilt, dann direkt aneinander gelegt und nach oben hin aufgefächert, um oben viel Weite und unten ein ganz schmales Bein zu erhalten. Hat wunderbar funktioniert.
Um vordere Naht noch zu betonen, habe ich lange Stoffstreifen mit quer festgenähten Biesen und Metallplättchen verziert und dazwischen gesetzt. Dieser Schnitt und diese Zierelemente gemischt mit einer Basis aus Leinen ergab genau die kulturelle Mischung, die mir vorschwebte.
Entgegen moderner, westlicher Schönheitsvorstellungen sollten Hintern und Hüften massiv überbetont werden. Daher mit Absicht extrem viel Volumen obenrum und eine deutliche Verjüngung nach unten hin. Vor allem die Heckansicht ist wirklich sehr voluminös.
Die Bluse
Bei der Bluse kam ich allmählich in Zeitnot. Ich wollte sie bauchfrei, wie man es von Sari Blusen kennt aber nicht gänzlich schmal wie dabei sonst üblich. Eher mit Raffungen und weiten Ärmeln wie sie im europäischem Raum verbreitet waren. Da fiel mir direkt mein zuletzt genähtes Kleid ein. Das Oberteil des Honeysuckle Dress entsprach ziemlich genau meinen Vorstellungen und hatte den Vorteil, dass ich den Schnitt kannte und nicht weiter experimentieren musste. Ich habe nur die Rückenteile verlängert, um es zur Wickelbluse zu machen (kann man so als Top auch extra als Schnitt kaufen), liess die untere Raffung am Ärmel weg und nähte vorn noch ein Dekoelement an.
Der Überwurf
Aus einem weiteren gebrauchten Sari wollte ich noch einen Übermantel nähen. Allerdings war einer der bestellten Saris sogar noch viel schöner als auf den Bildern und ich brachte es nicht übers Herz ihn zu zerschneiden. Ihn als gewickelten Sari zu tragen traute ich mich allerdings auch nicht. Also drapierte ich ihn auf meiner Puppe tagelang hin und her, bis er wie ein kaftanartiger Übermantel aussah. Ein Teil des Saris ist am Rand zu einem Tunnel umgeschlagen und festgeheftet. In diesen Tunnel zog ich einen breiten Gummi ein, der in einem Gürtelverschluss endet. Die andere Hälfte des Saris ist mit einer Naht im Nacken und zwei festgenähten Raffungen an den Schultern zu einem Oberteil mit einer Art Kapuze geworden. Also nur vier Nähte, nichts abgeschnitten und schon wird aus einem langem Stoffstück ein mantelartiger Überwurf.
Das ist übrigens eins von ganzen zwei Bildern, die auf der Veranstaltung entstanden.
Ergänzt sind die Gewandungen um die sehr wichtigen Schläfenringe, die Schutz vor bösen Geistern bieten und Tüchern und Bändern, die ich ein wenig turbanartig um den Kopf drapiere. Ein selbstgemachtes Makrameearmband und ein Armband mit einem selbstgetöpferten Keramikelement, das mir meine Freundin geschenkt hat.
Die Veranstaltung war absolut großartig! Leider gab es auch recht viel Regen und in den sonnigen Zeiten gab es spannenderes zu tun als Fotos. Daher habe ich kaum Bilder, wie so oft auf LARPs. Extra für euch habe ich mich also gestern nochmal aufgerödelt und in den Garten gestellt.
Mit diesem eher ungewöhnlichen Outfits falle ich bei diesem Me-Made-Mittwoch vielleicht etwas aus dem Rahmen aber ich hoffe dieser Ausflug in phantastische Welten hat euch gefallen. Ich hingegen hole mir dort jetzt Inspiration für meine Sommergarderobe.
Herzliche Grüße,
Sam
Mega Toll!!! Ich habe von Larp keine Ahnung, aber ich feier einfach dass du so vielfältig krativ bist! Ich lieb es Mittelalergeschichten als Hörbuch zu hören und dein erstes Outfit spricht mich da total an. Aber die Hose ist einfach nur der Knaller. Die kannst du hoffentlich auch außerhalb deiner seltenen Reisen tragen. WOW. Wir hatten bei der Arbeit grade Sommerfest mit dem Motto 1001 Nacht. Ich habe mich so schwer getan, dir wäre da sicher ganz viel eingefallen 😉 LG Sarah
Hach ist das schön kreativ ! Danke, dass Du uns daran teilhaben lässt. Deine textile Umsetzung Deiner Ideen ist klasse.
Einfach nur großartig! Wie schön, dass Du uns in Deine LARP-Welt mitnimmst. Du bist so kreativ und die Umsetzung ist toll gelungen. Liebe Grüße Laura
Gerade das außergewöhnliche an deinen Nähprojekten macht sie noch ein bisschen interessanter. Die Schnittänderung der Hose finde ich besonders interessant, auf die Verlegung der Seitennaht in dieser Art wäre ich nicht gekommen.
Grüße, Tina
Sehr beeindruckend Deine verschiedenen Kostüme. Toll, dass Du bei diesem Hobby nochmal ganz andere Dinge nähen kannst als für den Alltag. Echt stark!
Oh klasse, Du bist so wahnsinnig kreativ. Deine Larp- Gewänder sind so toll, passen perfekt zu Dir. Ich stelle mir gerade vor, wie Du in früheren Zeiten über Jahrmärkte und gewandelt bist- eine sehr schöne Vorstellung.
Die Larp- Welt ist mir bis dato fremd und habe keinerlei Ahnung davon.
Viele Grüße,
Sandra
Cool wie du Orient und Okzident mit den Stoffen und Schnitten verbindest. Deine Kreativität bei den Kostümen ist Wahnsinn. Sari zu zerschneiden scheue ich mich auch immer. Ich hätte ihn allerdings garantiert “nur” gewickelt und nicht so aufwändig umgearbeitet. Dein Charakter jedenfalls klingt spannend. Ich habe es nur zu jahrelangem Rollenspiel (Midgard) am Tisch gebracht, mochte meine heilende Wolfsschamanin und Wolfswandlerin auch sehr 😉 Freue mich schon auf weitere kreative Ausflüge ins LARP-Genre, LG heike
Das sieht insgesamt wahnsinnig aufwändig aus. Die Farben stehen dir unheimlich gut. Insgesamt interessant und sehr gelungen.
Die Outfits sind mal richtig Klasse, ich liebe deine LARP Kostüme sowieso 😍
Und der Charakter klingt total spannend zu spielen!
Sieht großartig und nach viel Arbeit aus, um am Ende noch mehr Spaß zu haben. Toll!
LG Miriam
Ganz lieben Dank für deinen ausführlichen Bericht. Du zeigst wunderschöne Kleidung und bringst mir das LARP etwas näher.
LG, Heike