Bags and Pieces – Erfahrung mit der Saddlebag

Zu Weihnachten habe ich mir selbst eine Saddlebag von Bags and Pieces geschenkt. Ein DIY Kit zum Selbernähen einer Ledertasche. In der Nähszene gab es dazu viele Lobeshymnen, so dass dem eine Chance gab. Jetzt bin ich endlich fertig geworden und möchte eine ausführliche Kritik zu diesem Produkt abgeben.

Vorweg meine Perspektive

Ich bin sehr erfahrene Hobbyschneiderin aber Leder habe ich noch nie genäht oder verarbeitet. Einige Teile, die ich komplett improvisiert im LARP Kontext zusammengeklöppelt habe, zähle ich nicht mit. Das heisst ich schreibe aus Perspektive einer Anfängerin ohne Vergleich zu anderen Angeboten dieser Art. Da die Anbieterin sich explizit an Einsteiger ins Taschennähen richten und ihr Produkt mit Anfängertauglichkeit bewirbt, ist das vielleicht für andere wie mich die interessante Perspektive.

Mein Bags and Pieces Produkt

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe hübscher Taschenmodelle in verschiedenen Größen. Bei jeder hat man die Wahl zwischen diversen Lederfarben, Futterfarben und auch Farben der Metalle. Dazu kommen einige Varianten an Trägern und Designelementen. Ich entschied mich für eine klassische kleine Saddlebag in cognacfarbe ohne spezielle Designelemente und mit langem Lederriemen. Dafür bezahlte ich 170€.

Materialqualität

Ich hatte das Paket extra nicht geöffnet, sondern eine Schleife drum gebunden und es mir unter den Weihnachtsbaum gelegt. Eine echte Freude es zu öffnen! Alles ordentlich sortiert und verstaut und es schlägt einem beim Öffnen dieser typische Ledergeruch angenehm entgegen.

Leder, Verstärkung und Futter

Der erste Eindruck der Materialien ist klasse. Wunderschön anzusehendes Leder, perfekt passendes Futter und die Metallteile liegen vertrauenserweckend schwer in der Hand.

10/10 für das Material

Kleber, Basecoat und Farbe

Die Produkte sind in großzügiger Menge vorhanden. Ich habe am Ende noch etwa 1/3 von allen Flüssigkeiten übrig. Alle drei Produkte lassen sich sehr gut verarbeiten. Ich hatte immer ein Papiertuch neben mir, um eventuelle Tropfen wegzuwischen. Die Konsistenz ist aber so gut, dass das selten passiert. Ein einziges Mal geschah mir mit dem Kleber ein größeres Missgeschick, was ich nicht retten konnte. Es blieb mir leider unten links ein Fleck in der Klappe.

10/10 für die Arbeitsmittel

Werkzeuge

Am wichtigsten sind natürlich die Sattlernadeln und das Garn. Drei Nadeln sind dabei, zwei braucht man eigentlich nur. Vom Garn hab ich noch eine Menge über. Also auch hier alles mit großzügiger Reserve beigefügt.

Für den Auftrag des Klebers ist ein flacher, breiter Pinsel dabei. Der erfüllt seine Aufgabe wie er soll.

Für die Bearbeitung der Kanten ist ein seltsam anmutender Kantenroller dabei. Die Benutzung war für mich erstmal ungewohnt aber man kann damit eigentlich nichts falsch machen.

Was mir wirklich fehlte war eine Saatlerahle. Dazu später mehr im Kapitel zu Service.

8/10 für die Werkzeuge

Anleitung

Überrascht war ich als ich keine Anleitung im Paket vorfand. Ich prüfte daraufhin meine Bestellung und fand dabei die E Mail mit den Download Links für die Anleitungen. Die hatte ich schlicht übersehen. Die schriftliche Anleitung ist klar verständlich und perfekt strukturiert. Man kann sich wunderbar Schritt für Schritt durcharbeiten. Ergänzend gibt es ausführliche Videotutorials. Also für jeden Lerntyp alles dabei. Inhaltlich wirklich top aber ich finde schon, dass bei einem hochpreisigem Produkt ein schön gedrucktes Booklet angemessen wäre.

9/10 Punkten für die Anleitung.

Aufwand und Platzbedarf

Die reine Arbeitszeit ist geringer als gedacht. Ich habe leider nicht genau mitgemessen aber es waren so um die 20 Stunden. Dazu kommen allerdings auch diverse Wartezeiten. Die Kanten werden mit 2 bis 4 Schichten Basecoat und nochmal 2 Schichten Farbe bearbeitet. Dazwischen müssen die Schichten natürlich trocknen. Dafür wiederum braucht man ein wenig Platz. Man muss sich also einen Arbeitsplatz suchen, an dem man die Dinge liegen lassen kann. Da manche ja nur ihren Küchentisch zum Basteln haben und der zum Abendbrot wieder frei sein muss, sollte man sich vorher eine Lösung überlegen.

Schwierigkeitsgrad

Rein vom Verständnis sind alle Arbeitsschritte schnell klar. Aber ist ist einiges an Geschick nötig, um überall präzise genug zu arbeiten.

Der Kleber lässt keine Korrektur zu, was klebt das klebt. Man muss also beim Aufbringen von Verstärkung und Futter sehr sorgfältig alles aufeinanderlegen. Klebt man Lederteile aneinander muss es auf den halben Milllimeter genau sein, damit die vorgestanzten Löcher exakt aufeinander kommen. Ich habe mir hier mit diversen langen Patchworknadeln beholfen, die ich von unten durch einige Löcher der erste Lederschicht steckte und dann die zweite Lederschicht von oben auf die gleichen Löcher fädelte und langsam nach unten schob.

Eine mangelhafte Stelle entstand bei mir an der Rückseite der Tasche. Das Futter klebt 1mm zu weit oben und stand dann zwischen der Rückseite und der später aufgenähten Innentasche heraus. Das klingt nicht nach viel aber ich bekam dadurch nach Auftrag von Basecoat und Farbe eben nicht die schöne glatte Kante, die man sich wünscht.

Das Nähen selbst ist seitens der Technik mit dem Sattlerstich ebenfalls nicht schwer verständlich. Allerdings war es für mich anfangs extrem schwer. Ich musste bei jedem Stich mit aller Kraft bohren, zerren und ziehen, um die Nadeln durch die Löcher zu bekommen. Ein cm kostete mich nervenzermürbende Ewigkeiten und bald waren die Daumen wund und am Zeigefinger entstand eine Blase. Erst dachte ich, ich hätte einfach zu schwache Hände und so hätte ich die Tasche nie fertig bekommen. Ich liess das Projekt frustriert liegen. Nach langer Pause raffte ich mich auf und begann nochmal. Dabei fragte ich in der Nähcommunity um Hilfe. Einige Bags and Pieces Näherinnen meldeten sich aber keine hatte diese Erfahrung so gemacht. Auch in den Videotutorials der Anbieterin sah das Nähen eher wie ein entspanntes Durchfädeln aus, nicht so schwer.

Ich wandte mich schliesslich an die Anbieterin.

Service

Ich schickte ihr ein Video meines Nähversuchs und fragte um Rat. Ich bekam am gleichen Tag Antwort. Super freundlich wurden verschiedene Fehlerquellen abgefragt und ich gebeten die Lochgröße zu prüfen. Letztlich blieb nur der Verdacht, dass ich leider eine fehlerhafte Stanzung erwischt hätte.

Ich bekam verschiedene Lösungsvorschläge und alle davon waren absolut fair und ließen mir die Wahl, ob ich “aufgebe” oder auf dem einen oder anderen Weg meine Tasche noch fertig bekomme. Ich entschied mich mit einer Lederahle, die mir geschickt wurde, selber weiterzumachen.

Die gesamte Kommunikation war unfassbar schnell, freundlich, lösungsorientiert und entgegenkommend.

12 von 10 für diesen Service

Ergebnis

Mit der Lederahle war es super einfach und schnell die Löcher ein wenig nachzustechen und schließlich ganz entspannt zu nähen. Nachdem ich mit dem Taschenkörper fertig war und den Träger nähte, merkte ich auch, dass dort die Löcher direkt so gestanzt waren, wie es sicher sonst gedacht ist. Angesichts der vielen anderen zufriedenen Bags and Pieces Näherinnen in meiner Bubble und der Bemühungen der Anbieterin, bin ich mir sicher, dass ich einfach nur Pech mit einem Montagsmodell hatte.

Insgesamt habe ich als absolute Anfängerin mit durchschnittlichen Geschick eine definitiv tragbare, schöne Tasche produziert! Die kleinen Fehler, die ich als Einsteigerin gemacht habe, tun dem keinen Abbruch. Ich vermute ausser mir, sieht das kein Mensch.

Im Fazit kann ich das Produkt aufrichtig empfehlen und finde das Preis-Leistungs-Verhältnis absolut angemessen.

Design Bags and Pieces Saddlebag

Zum Schluss noch mein komplett subjektiver Eindruck vom Design meiner Saddlebag. Ich liebe die Form und Größe der Tasche! Es passt mein Kindle, mein viel zu großes Handy, ein dickes Portmonee, Schlüssel und sogar mein komplettes MakeUpTäschchen hinein. Für mehr würde ich einen Rucksack bevorzugen aber mit weniger komme ich auch nicht aus.