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Viskosebluse mit Dachschlitz und bezogenen Knöpfen

Mein Wortzähler sagt mir ich bin episch ausgeartet. Daher für die Scroller unter euch: erst entzücke ich über das Schnittmuster, dann ergehe ich mich in Begeisterung für den verwendeten Stoff und verrate meine Quelle, es folgt eine sehr ausführliche Erläuterung wie ich Dachschlitze und bezogene Knöpfe produziert habe und ganz unten findet der visuelle Lesertyp knattergeile Bilder meines neuen Leibchens.

Schnittmuster und Schnittdetails

In meiner Kleidungskapsel für die Arbeit im Winter fehlen Blusen, die etwas spezieller sind als das schwarze Hemd, das immer geht. Blusen sind bisher nicht gerade mein Spezialgebiet. Sie haben oft viele Details wie Dachschlitz, Manschetten, Kragen oder Falten und Biesen. Lauter Dinge die ich noch nie oder nur in Schummelvarianten genäht habe.

Zum Einstieg wagte ich mich an den Blusenschnitt meiner derzeitigen Lieblingsschnittmusterdesignerin Schwalbenliebe*. Das gute Stück heisst Fräulein Feinsüss und kommt mit Stehkragen oder Schluppe, ungewöhnlich verlaufenden Abnähern, nach Wunsch mit geraden oder oben leicht gepufften Ärmeln und einem Dachschlitz an der Manschette daher.

Schluppen und Puffärmel sind ja genau mein Ding. Alles-unten-Mädchen lenken den Blick ja gern nach oben. Also habe ich diese Variante gleich als erstes genäht. Zeigen kann ich heute aber erst den zweiten Versuch. Die erste Bluse wurde zwar ganz wundervoll aber ich konnte mich bis heute nicht zu den richtigen Knöpfen entscheiden und so liegt sie noch immer auf dem Nähstapel und wartet auf ihren Einsatz. Mein zweiter Versuch bekam den Stehkragen und nur die oberen Abnäher, die Taille liess ich diesmal etwas lässiger. Bei beiden mühte ich mich mit dem Dachschlitz.

Material: Viskosecrepe

Als ich für den schmalen Rollkragenpullover auf Stoffsuche war, fiel mir auch ein Rest von rostfarbenem Crepe ins Auge. Ich finde die Farbe harmoniert toll mit meinem rotem Haar und ich mag Rottöne in Kombination zu schwarzen oder blauen Blazern. Leider bestand der Rest nur noch aus 1,30m. Äusserst knapp für eine Bluse. Glücklicherweise ist es bei diesem Crepe allerdings egal ob man ihn längs oder quer zuschneidet. Eigentlich sollte man immer im Fadenlauf zuschneiden aber bei unelastischer Webware kann man, sofern kein Muster dazwischenfunkt, mal ein Auge zudrücken. Mit kleinen Abstrichen bei der Breite der Manschetten und einem eigentlich nicht vorgesehenem Schlitz an der Hüfte, ohne den es dort zu knapp geworden wäre, konnte ich unter Aufbietung all meiner Tretiskünste, alle Schnittteile auf dem vorhandenem Material unterbringen.

Dieser Viskosecrepe hat mich mit seinem weichen Griff, fliessendem Fall und dem für einen Blusenstoff wirklich ungewöhnlich warmen, angenehmen Tragegefühl so überzeugt, dass ich mehr wollte. Da ich mich vom Ballen an den Namen des Herstellers erinnerte, konnte ich diesen Online ausfindig machen und habe mir bereits die nächste Farbe bestellt.

Atelier Brunette* bietet diese Viskose in 15 herrlichen Farben an und das wirklich überragende ist, dass zu jeder Farbe die exakt passenden Knöpfe, Paspeln und Schrägbänder angeboten werden. Leider kam für mich diese Erkenntnis zu spät und ich musste mich durch Knopfbasteln quälen. Die Webseite ist zwar nicht auf deutsch aber immerhin auf englisch übersetzt und Bestellung und Versand klappten problemlos. Von der Lieferung war ich sogar sehr begeistert, da der Stoff in einem wiederverwendbarem Stoffbeutel verpackt war. Ich mag solche liebevollen Kleinigkeiten.

Stofflieferung aus dem Atelier Brunette

Herausforderung Dachschlitz nähen

Ich sagte ja schon, dass dies meine zweite Bluse ist. Somit auch mein zweiter Versuch eines Dachschlitzes. Der erste ist sehr sehr mäßig ausgefallen. Daher hab ich in diversen Blogs und Foren gestöbert, um eine Methode zu finden, die möglichst gelingsicher ist. Ich zeige euch also jetzt eine Mischung aus verschiedenen Ansätzen. Eine Profischneiderin wäre davon vielleicht nicht begeistert, ich kann allerdings grad keine fragen. Auf jeden Fall führt diese Methode selbst bei einer Dachschlitzanfängerin wie mir zu einem öffentlichkeitstauglichen Ergebnis.

Ich schreibe hier übrigens bewusst auch über Nähmethoden, die ich selber noch nicht perfekt beherrsche. Einfach um zu zeigen, dass es nicht schlimm ist wenn es nicht klappt und vieles bei weitem nicht so schwer ist, wie man vorher denkt. Wenn jemand eine bessere Methode hat, bitte unbedingt in die Kommentare!

1. Vorbereitung einer Schablone für den Dachschlitz

Schaut in eurem Schnittmuster wie lang der Einschnitt vorgesehen ist. Bastelt euch dann eine Schablone aus dünner Pappe, die etwas länger ist als der Einschnitt und an die ihr oben ein Dach schneidet. So wie diese Schablone soll später der Dachlitzstreifen aussehen. Dann schneidet aus eurem Stoff zwei Rechtecke aus, die etwas länger als eure Pappschablone sind und dessen Breite plus zwei Zentimeter aufweisen.

Erstellen einer Bügelschablone für den Dachschlitz

2. Den perfekten Dachschlitz bügeln

Als nächstes bügelt ihr die Stoffstreifen um eure Schablone herum. Zuerst oben einmal über die Dachspitze schlagen, dann jeweils seitlich um die Dachkanten und zum Schluss um die langen Seiten herum. Von der später unsichtbaren Rückseite ruhig ein winziges bischen heißer bügeln als der Stoff eigentlich mag, damit ihr wirklich richtig schöne scharfe Kanten erhaltet.

Der gebügelte Stoffstreifen für den Dachschlitz

3. Einschnitte für den Dachschlitz

Dann wendet ihr euch dem Ärmel zu. Schneidet an der vorgesehenen Stelle ein. Schlagt dann an der hinteren Ärmelseite den Stoff am Einschnitt zweimal nach innen um und näht das fest. Ja, das ergibt eine leichte Kurve, das muss so!

Die Einschnitte am Ärmel für den Dachschlitz

4. Stoffkanten für den Dachschlitz bügeln

Jetzt legt ihr die noch offene Stoffkante einmal nach aussen um und zieht dabei die eben gesäumte Kante ganz dicht an die neu entstehende Kante heran. Dabei entsteht zum Ellenbogen hin eine kleine Falte. Bügelt das Ergebnis fest, so dass ihr wieder eine schöne scharfe Kante habt, das macht den nächsten Schritt leichter.

5. Den Dachschlitz stecken

Jetzt legt ihr die vorbereiteten Dachschlitzstreifen auf die offene Stoffkante. Dabei sollte die Dachspitze genau die eben eingebügelte kleine Falte treffen und die Kante des umgebügelten Einschnittes genau am Rand liegen. Die offene Stoffkante verschwindet unter dem vorbereitetem Stoffstreifen für den Dachschlitz.

Den Dachschlitz anstecken

6. Den Dachschlitz annähen

Der letzte Schritt ist der kniffligste. Je präziser man in jedem vorherigem Schritt war, desto leichter wird es jetzt. Eigentlich muss man jetzt nur noch das Gesteckte einmal rundrum festnähen. Die Herausforderung besteht in der Genauigkeit. Die Naht sollte ganz knapp an der Stoffkante verlaufen und dabei nach jeder Ecke um die genäht wird, wieder genauso knapp verlaufen. Das ist der Punkt wo ich bisher noch patze. Inzwischen habe ihc aber den Tip bekommen dafür ein Spezialnähfuss zu nehmen. Sowohl der Reissverschlussfuss als auch der Fuß für Überwendlingsstich sollen dabei eine gute Hilfe sein. Ich werde es bei der nächsten Bluse versuchen. Bei diesem Versuch habe ich nur den Stickfuss verwendet und mich an den kleinen roten Linien darauf orientiert. Ist okay geworden aber definiv nicht so optimal wie ich das gerne hätte.

Der fertige Dachschlitz

7. Der Feinschliff für den Dachschlitz

Damit der wundervolle Dachschlitz den Einschnitt am Ärmel möglichst perfekt versteckt, fehlen nun noch ein paar Handstiche. Dafür die gegenüberliegende Kante ganz kurz unter den Dachschlitz ziehen und mit wenigen Stichen von Hand festnähen. Dabei darauf achten nur in die untere Stofflage des Dachschlitzes zu stechen, damit von aussen nichts zu sehen ist.

Knöpfe zum Selbstbeziehen

So ein sch*** Frickelkram!!!

Da ich nun schon eine Bluse habe, die fertig aber knopflos ihr Dasein fristet, entschied ich mich diesmal, statt lange zu suchen, die Knöpfe perfekt passend selber zu beziehen. Prym* bietet dazu entsprechende Teile an. An sich eine tolle Idee, hat man doch aus ein paar Stoffresten die perfekt passenden Knöpfe für sein Einzelstück. Das große Aber liegt im Detail. Ich habe einiges an verbogenem Blech produziert bevor ein Knopf gelang

Fehlversuche selbstbezogene Knöpfe

Lektion 1: Mit zuwenig Kraft funktioniert es nicht. Laut Anleitung soll man den Stoff um den Knopf ziehen und die Teile dann einfach in der Gummiform zusammendrücken. Bei mir passierte dann genau gar nichts.

Lektion 2: Mit zuviel Kraft geht’s auch nicht. Frau hält sich für schlau und nimmt einen Gummihammer zu Hilfe. Erfolgreiche Verformung aller Knopfbestandteile ohne gewünschtes Ergebnis eines verwendbaren Knopfes.

Lektion 3: In der Mitte liegt die Antwort. Man nehme wahlweise eine italienische Mama, deren Hände vom Nudelteigkneten gestärkt sind, oder einen anderweitigen Gehilfen mit kräftigen Fingern und bitte diesen die Teile zusammen zu drücken. Im Idealfall zeigt dann ein leisen Klicken an, dass die Teile fest verbunden sind.

selbstbezogene Knöpfe

Die fertige Bluse

Das Endergebnis kann sich sehen lassen und darf in meinen Büro-Kapsel im Kleiderschrank einziehen.

selbstgenähte Viskosebluse

Die Details mit Dachschlitz und selbstbezogenen Knöpfen verleihen der Bluse einen enorm hohen Stolzfaktor!

Manschette mit Dachschlitz und selbstbeogenen Knöpfen

Diesmal hat eine Freundin die Fotos gemacht. Leider fiel uns das mit den Fotos erst ein, nachdem wir ausgiebig gefrühstückt haben. Daher sind auch die Knitterfalten nett in Szene gesetzt. Realität im Blog – so sieht Viskosecrepe nach drei Stunden unter einem Pullover aus.

Frau mit selbstgenähter Bluse

Gibt Schlimmeres. Immerhin hat das wohlwollende Auge meiner Freundin mein Gesicht toll eingefangen. Meine Eitelkeit macht Freudensprünge und ich werde mich in dieser Bluse jetzt wohl immer so fühlen als sähe ich jeden Tag so stylisch aus.

Die Macht von guter Kleidung!

Portrait mit roter Bluse

Mit diesem Prachtstück bin ich natürlich auch gerne wieder dabei beim Du für dich am Donnerstag , dem SewLaLa und dem MeMadeMittwoch– schaut euch tolle Einzelstücke anderer Hobbynäherinnen an und lasst euch motivieren es ebenfalls zu versuchen.

*Unbezahlte Empfehlung/ Werbung.

 

Comments (11)

Knattergeil…ernsthaft? 😀 Den Farben nach scheinen die Bilder eher von einem alten Meister zu stammen. Spontan erinnerte mich das an ‘Die Arnolfini-Hochzeit’ von Jan van Eyck, nur dass Frau und Vorhang die Farben getauscht haben. Ich liebe das Bild, eben wegen der Farben, und Deine ‘rostige’ Bluse würde auch in mein Beuteschema passen. Vielleicht sollte ich nicht so viel im Internet bei anderen tollen Ideen nachhängen und dafür mehr selber nähen :D. LG Sandra

Ohjeee da habe ich aber anspruchsvolle Leserschaft, ich gelobe eloquente Besserung 😉

Einstweilen hoffe ich nicht ganz so schwanger auszusehen wie die Dame in van Eycks Werk und freue mich ganz formidabel über den Vergleich und die netten Worte!

Eine aufwendige Bluse verdient auch mal ein paar worte mehr. So einen stoff würde ich auch gerne mal vernähen… lg Sarah

Besten Dank und dabei habe ich den Absatz über die französischen Nähte sogar noch rausgekürzt 🙂
Lass dich nicht abhalten den Stoff zu verarbeiten, er ist insgesamt unproblematisch und pflegeleicht. Die ersten Wäschen hat das gute Stück bereits schadlos überstanden.

Wunderschöne Bluse!
Das mit dem Knöpfebeziehen sieht wirklich nach sehr wenig Spaß aus.
Lieber Gruß Elke

Herzlichen Dank.
Mit den Knöpfen ist es wohl wie mit so vielen Dingen, wenn man den Dreh einmal raushat, ist es wie Fahrradfahren. Beim ersten Versuch muss man eben ein paar Fehlversuche einkalkulieren.

Toller Artikel! Vor allem über die Zusammenfassung habe ich sehr gelacht. Und die Bluse ist dir super geglückt!!! LG Tina

[…] nahm meinen inzwischen getesteten Blusenschnitt Fräulein Feinsüss und legte die Teile übereinander. Die Schulterbreite stimmte in etwa überein, guter Anfang. Floki […]

[…] immerhin gut kompatibel mit Bestandskleidung und perfekt kompatibel mit meiner derzeitigen Lieblingsbluse. Ich finde es gerade hochgradig befriedigend bereits zusammenpassende Outfits aus selbstgenähten […]

[…] habe ja bereits meine rote Viskosebluse gezeigt, diese Twillbluse ist aus dem gleichen Schnitt. Die Fräulein Feinsüss von Schwalbenliebe, […]

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