In Foren und Onlinegruppen zum Thema nähen findet sich ja immer wieder mal die Diskussion Webware versus Jersey. Hat zweifellos beides seine Berechtigung aber jeder hat so seine Vorliebe, was lieber vernäht wird. Bei mir ist das ganz klar unelastische Webware. Stoffe die sich am Körper anders verhalten als in der Hand und sich unter der Nähmaschine dehnen, wellen und sonstige Kapriolen schlagen, sind mir ein Graus.
Aber hilft alles nichts. Meine gemütliche Komfortzone ist ohne Shirts, Pullis und Strickjäckchen nur halb so bequem. Also besteche ich mich selbst zu Strickgewebe, indem ich mir besonders hochwertiges gönne. Der Haken ist, ich ärgere mich umso mehr wenn die Verarbeitung, die mir eh schon schwer fällt, dann nicht klappt. Mit meiner Juniper Cardigan schwanke ich da auf einem schmalen Grat.
Das Schnittmuster Juniper Cardigan
Jennifer Lauren Handmade ist ein amerikanisches Schnittmusterlabel mit einer kleinen feinen Auswahl an Schnittmustern im Vintagestyle. Die Juniper Cardigan ist im Grunde eine Strickjacke mit Raglanärmeln. Allerdings haben diese einen stark veränderten Verlauf, anders als man es sonst so kennt und das ergibt einen ganz wundervollen Blickfang. Sie kommt in zwei Längen daher, ganz kurz bis zur Taille – perfekt zu weitschwingenden Highwaiströcken- oder ganz lang. Ich habe so ein Mittelding draus gemacht, damit ist es für meine Kleidung am besten kombinierbar. Ausserdem habe ich mir einen kleinen Kragen ergänzt. Das mag ich einfach lieber.
Die Anleitung im EBook ist kurz aber für diesen Schnitt völlig ausreichend. Wer mehr benötigt, findet auf der Webseite einen kompletten SewAlong mit super detaillierten Ausführungen. Zwar alles auf Englisch aber selbst ich mit meinen wirklich dünnen Schulenglisch, kann das sehr gut verstehen.
Mein einziges Manko ist die Größe. Ich habe genau nach Größentabelle genäht aber die Jacke war viel zu weit an allen Stellen. Auf dem Bild oben sieht man den Zwischenstand. Ich habe letztlich im Rücken zwei Abnäher ergänzt und die Jacke so wie gedacht auf Figur gebracht. Die Ärmel habe ich allerdings so gelassen. Vielleicht gar nicht schlecht wenn ich mal Blusen darunter trage.
Schneiderinnen, die die Juniper nähen wollen, empfehle ich darauf zu achten, dass das Schnittmuster die Nahtzugabe bereits enthält und eventuell eine Nummer kleiner zu nähen als die Tabelle sagt.
Das Material
Ich hatte mir Merino in den Kopf gesetzt. Keine günstigen Flausen, die ich mir da eingefangen habe. Aber der Tragekomfort ist es definitv wert. Bei Stoffversand4u fand ich diesen herrlichen MerinoSoftStrick in vielen Farben. Besonders das Dunkelrot hat es mir sofort angetan, besonders nachdem die Suche nach meinem Farbtyp mich in einen Rotrausch versetzt hat. Nachdem ich die Jacke inzwischen das erste Mal länger getragen habe, nur mit einem Trägertop darunter, liebe ich das Tragegefühl. Es ist unglaublich weich und anschmiegsam und wärmt ohne, dass man sich schwitzig fühlt. Ich fürchte ich werde mich früher oder später erneut mit diesem Merinostrick herumärgern.
Ergänzt wird der Strickstoff von Paspeln und Schrägband aus Viskosecrépe, sowie Knöpfen aus dem Atelier Brunette. An deren wundervollen Stoffen kommt ja derzeit keiner vorbei.
Der Widerspenstigen Nähte
Für die Verarbeitung von Strickstoffen wird empfohlen Knopfleisten mit Bügelvlies zu verstärken. Macht total Sinn, da bei Strickstoff Knopflöcher schnell mal einreissen oder ausleiern. Auch im Nacken hielt ich eine Verstärkung gegen Ausleiern beim Anziehen für notwendig. So schön der Stoff ist, er erscheint mir doch auch recht nachgiebig und ich möchte nicht irgendwann die Schultern an den Ellenbogen vorfinden.
Dummerweise darf Merino nicht gebügelt werden. Ein Test an einem Reststück ergab eine Art Filzeffekt. Nicht wünschenswert. Also kam mir die Idee die Schulternähte mit unelastischen Paspeln zu verstärken, die Naht zum Kragen hin von innen mit Schrägband zu verdecken und die Knopfleiste mit breitem Ripsband zu unterlegen.
Paspeln
Nur sehr bedingt empfehlenswert. Trotz vorsichtigstem Nähen ist ein bisschen Verziehen des elastischen Stoffes gegen die unelastische Paspel nicht ganz zu vermeiden. Man sieht, dass die Paspel wie verdreht aussieht. Ärgerlich. Erst im Nachhinein fiel mir ein, dass es für solche Fälle Framilon gibt. Ein transparentes Gummiband, dass mit der Naht mitgefasst wird, elastisch ist, aber nicht ausleiert. Kennt man vor allem auch von Bikinis. Jerseypaspel wäre sicher auch gut gewesen aber ich mochte die Idee feinen Merinostrick mit zarter Viskosecrépepaspel zu verbinden.
Manchmal bedeutet Konsequenz auch einen Holzweg zu Ende zu gehen. Ausserdem mag ich es sehr, wie die Paspel die ungewöhnliche Linienführung betont.
Schrägband
Hat durchaus funktioniert aber verdammt schwierig zu nähen. Ich glaube keine einzige Naht zwischen Schrägband und Strick ist gerade geworden. Allzu genau darf hier wirklich keiner hinsehen. Ärgert mich ganz schön, normalerweise bin ich durchaus fähig Schrägband gerade einzunähen.
Ripsband
Das wiederum hat super funktioniert. Es bietet genau die Verstärkung die die Knopflöcher und Knöpfe brauchen und muss an den Seiten nicht versäubert werden. Das Nähen der Knopflöcher selbst war auch kein Problem. Damit es von aussen nicht auffällt habe ich die vorderen Kanten mit Schrägband eingefasst.
Die Fertige Juniper Cardigan
Wie gesagt ein schmaler Grat. Aus zwei Metern Entfernung sieht die Jacke durchaus apart aus. Aus der Nähe betrachtet offenbaren sich die Schwächen meiner Jerseynähkünste.
Aber immerhin habe ich die perfekt passenden Schuhe dazu und sie passt zu meiner Guise Pants (auf die ich immer noch unfassbar stolz bin), also was solls!
Wieder dabei beim Du für Dich am Donnerstag und dem Sew La La!
Ganz schön mutig von Dir, Merinojersey zum Test von Verarbeitungstechniken für Maschenware zu verwenden ;P. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Nähen mit Maschenware – gerade bei aufwendigeren Projekten – immer auch ein bisschen Russisch Roulette ist. Inzwischen hab ich mir abgewöhnt, Probeteile zu nähen, weil diese quasi nie so geworden sind, wie das ‘gute’ Stück. Und seien wir doch mal ehrlich, am Ende ist es nur unser eigenes kritisches Adlerauge, das irgendwelche Unzulänglichkeiten auszumachen glaubt. Ja, in den Nahaufnahmen kann ich, sicher auch auf Grund meiner eigenen langwierigen Erfahrung mit solchen Kämpfen, sehen, dass z.B. die Paspel sich verdreht. Aber dann fallen mir sofort viele tolle, handgenähte Vintage-Modelle ein, die ich in verschiedenen Büchern gesehen habe, wo das auch so und völlig normal ist. Weil eine Kombination aus Web- und Maschenware sich nunmal so verhält. Langer Rede kurzer Sinn, das Jäckchen steht Dir, sieht sympathisch aus und passt mit Sicherheit perfekt zu Deiner Garderobe (zur Guise Pants und den Hammerschuhen auf jeden :D)… Mission erfüllt! LG Sandra
Danke für Deinen ausführlichen Kommentar, das sind wirklich sehr ermutigende Worte!
“Russisch Roulette” – Ja das trifft es, no risk no fun und das gilt eigentlich schon allein bei jedem neuem Schnitt von unbekannten Designer/innen. Aber immer auf Nummer sicher ist eben auch irgendwann langweilig und limitierend für den eigenen Nähhorizont.
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