Ich habe schon ewig die Hobbyschneiderinnen bewundert, die obendrein noch stricken können. Als Kind und Teenager hatte ich mal ein paar Versuche gemacht, scheiterte aber immer an gleichmäßiger Fadenspannung.Warum auch immer hatte ich kürzlich im Selfmade einen hinterlistigen Kaufimpuls und deckte mich mit Stricknadeln und Wolle ein. Der Anfang sollte ein Tuch werden, wofür ich mir in der Bibliothek ein Grundlagenbuch und ein Buch übers Tücherstricken besorgt hatte.
Das Grundlagenbuch war super. Die einzelnen Maschentypen waren gut erklärt und vernünftige Bilder führten zielsicher zu ein paar passablen Teststückchen. Das Tücherbuch war eine Katastrophe. Für kein einziges Modell gab es auch nur ein einziges Bild oder echte Anleitung. Lediglich die Anneinanderreihung von Kürzeln. Ich dachte zunächst, ich hätte halt Pech gehabt bei meiner Buchauswahl. Mit Hilfe des Grundlagenbuches kam ich am Ende aber immerhin zu einem tragbaren Dreieckstuch.

Die Strickwelt kann einiges von der Nähwelt lernen
Nun war ich angefixt und wollte einen Pullover stricken. Beim Nähen sag ich ja auch unermüdlich: Näh was du tragen willst!
Naiv wie ich war, dachte ich im Stricken gäbe es ganz sicher genauso ausführliche Anleitungen wie im Nähen. Mit Bildern der einzelnen Arbeitsschritte und Erklärungen in ganzen Sätzen. Weit gefehlt. Ich durchforstete zuerst meine hiesige Bibliothek, dann den großen Dussmann und natürlich auch das Netz nach Büchern. Ich fragte in Social Media nach Empfehlungen und kaufte auch einige Strickmuster, die allesamt damit warben anfängerfreundlich zu sein. Allesamt nutzlos für Anfänger.
Ich muss es so hart sagen: Strickdesignerinnen machen es sich im Vergleich zu Schnittmustererstellerinnen wirklich leicht. Mehr als ein Bild eines fertiges Kleidungsstück gibt es nicht. Dazu das reine Strickmuster, also eine seitenlange Liste mit Abkürzungen der Maschenarten. Das wars. Man stelle sich vor eine Schnittmusterdesignerin würde ein Schnittmuster rausbringen und sagen: „Sind Passzeichen am Schnitt, du findest schon raus was sie bedeuten!“ Klar, ich und andere Fortgeschrittene kämen wunderbar klar aber wieviele Näheinsteigerinnen würden dran bleiben?
Oder andersherum gefragt: Wäre Nähen heute so populär wenn es noch immer nur die klassischen Burdaanleitungen gäbe mit Schriftgröße 8 und einer halben Seite kryptischem Fliesstext?
Cocoknits
Online stolperte ich irgendwann über das Buch Cocoknits. Endlich ein Buch in dem es Bilder für die einzelnen Arbeitsetappen der Modelle gibt. Ist ja eigentlich kein Hexenwerk. Ich schlug also zu und fing meinen ersten Pullover an. Nach dieser Methode muss man am Anfang ein wenig rechnen und die Werte für das Wunschmodell kombiniert mit der eigenen Größe und verrechnet mit der eigenen Maschenprobe in eine Tabelle eintragen. In dieser Tabelle ist jede Zeile eine Reihe und die Spalten bilden die Areale zwischen sechs Maschentrennern ab. Hat man das Ausfüllen geschafft, hat man eine optisch super klare Anleitung für das eigene Projekt. Für die ersten Arbeitsschritte gibt es wie gesagt Fotos, so dass man als Anfängerin immer direkt kontrollieren kann, ob man dem Strickmuster korrekt gefolgt ist oder irgendwo einen wesentlichen Fehler drin hat.

Es ist eine Methode bei der man den Pulli in einem Stück von oben nach unten strickt. Inzwischen weiß ich, dass es davon verschiedene Varianten gibt, die aber alle ähnlich beginnen. Zuerst strickt man den Nacken, dann setzt man daran die Vorderseiten an, strickt dann rundrum und über wohlplatzierte Maschenzugaben ergibt sich irgendwann ein Ärmelanssatz.

Ist man am Achselpunkt angelangt legt man die Ärmelmaschen still und strickt den Pullover immer im Kreis bis zur Taille runter. Das Schöne ist, man kann zwischendurch immer Anprobieren, ob es soweit passt.

Dann nimmt man die Ärmelmaschen wieder auf und strickt diese ebenfalls in Runden runter. An der Stelle scheiterte ich allerdings. So enge Runden, wie sie meine schmalen Ärmel erfordern, verlangen nach speziellen Techniken mit Nadelspiel, speziellen Sockennadeln oder Magic Loop. Ich hab alles ausprobiert aber hier fehlte es mir an Geschicklichkeit. Letztlich habe ich die Ärmel dann doch in Reihen gestrickt und am Ende zusammengenäht. Nähen kann ich immerhin. Per Matratzenstich wird die Naht schön flach und dann soll das eben so. Notiz an mich: Socken stricken oder sonstwas was enge Runden erfordert: erst wenn mir eine dritte Hand gewachsen ist.

Emma von Cocoknits
Ich hatte mir das Modell Emma ausgesucht. Technisch super anfängerfreundlich. Rechts, Links, Maschenabnahmen und Maschenzunahmen sind alle handwerklich keine große Herausforderung. Die Schwierigkeit liegt einzig darin alles in der richtigen Reihenfolge und Richtung zu machen. Mit der Anleitung im Buch absolut machbar!

Meine Wolle erstand ich bei selfmade, sie heisst „warm hearted Fraya“ und ist 100% Wolle. Wie der Name verspricht wirklich warm und lässt sich auch für ungeübte Hände gut verstricken. Einziges Manko: die Farbe blutet wirklich krass aus. Sie ist zwar danach immer noch genauso intensiv aber ein Muster mit weißen Streifen wäre nach der Wäsche garantiert ein Muster mit hellblauen Streifen.

Damit zeige ich heute im MeMadeMittwoch wohl mein schlichtestes Modell jemals aber dennoch mit sehr großem Stolz. Ich hoffe unter den Hobbyschneiderinnen gibt es schöne Frühlingsmodelle zu sehen, da könnte ich mir noch etwas Inspiration abholen!
Schönste Frühlingsgrüße,
Sam
Ein bischen bin ich auch schon ins Frühlingsnähen gestartet. Mit dem neuen Modell Nautic von Pauline Alice Pattern setzt man volle Segel auf Sommer.
Ich kann seit den 80er stricken, aber ich teile deine Ansicht, was Strickanleitungen angeht.
Ich weiß von Strickerinnen die einfach IMMER Größe M stricken, aber ich finde das ist für eine gute Passform auch keine Lösung
Was die reine Stricktechnik angeht, habe ich mit Petiteknit gute Erfahrung gemacht. Immer, wenn ein schwieriger Schritt kommt, ist die
virtuelle Anleitung mit einem Strickvideo verlinkt, wo alles gut sichtbar in Bewegung veranschaulicht wird.
Die Videos sind allerdings auf Dänisch. Ich verstehe das halbwegs, aber ich denke, das muss man nicht.
Ein Top-down- in- one-piece Rezept zu haben, auf das man sich verlassen kann, ist immer eine gute Basis. denke ich.
LG Anja
Ich stricke auch schon seit meiner Teenagerzeit, aber jahrelang nur Socken, und bin grad an meinem zweiten Pullover, der Cumulus Blouse von PetiteKnit. Diese Anleitung erscheint mir sehr anfängerfreundlich und auch nicht besonders schwierig. Ich glaube, dass Strickanleitungen mehr mit Abkürzungen arbeiten, weil Stricken viel repetitiver ist als Nähen und zudem häufiger unterwegs gemacht wird. Da will man dann keine ewig lange, unübersichtliche Anleitung. Nähen passiert meistens zu Hause, da stört die lange Anleitung nicht so.
Die Abkürzungen haben absolut ihre Berechtigung! Dei könnten aber durch gute Formatierung deutlich übersichtlicher gestaltet werden, gerade wenn eine Reihe über 6 Zeilen beschrieben ist und die Maschentrenner nichtmal fett gedruckt sind.
Das kan ich gut nachvollziehen. Ich nähe ebenfalls. Nebenbei noch hin und wieder sticken und vor allem häkeln. Die Häkelanleitungen sind zwar auch mit Abkürzung versehen aber deutlich übersichtlicher als Strickanleitungen. Habe jetzt sponatn mit stricken angefangen. Zum Glück kann/konnte meine Mutter sehr gut stricken und konnte mir die Grundlagen zeigen. Nach einem Probestück ging es direkt an eine Strickjacken…. soweit so gut. Wenn dann die Striclanleitungen in ihrer kryptisch Art und Weise dann aber auch noch Fehlerhaft sind , na dann Prost Mahlzeit. Selbst meine Mutter hat mit dem Kopf geschüttelt. Na ja mit etwas rumrechnen und Erfahrungen im häkeln hat es dann doch funktioniert. Aber ein Anfänger im Bereich Handarbeit ist in so einem Fall komplett aufgeschmissen.
Hui und dennoch gleich ein richtiges Kleidungsstück geschafft … beeindruckend. Neulich las ich, dass die Strickwelt im Gegensatz zum Nähbereich im Aufschwung ist … eigentlich überraschend bei diesen wenigen Anfängerhilfestellungen, oder?
Auf Insta habe ich bei meinen Stories häufig Kommentare bekommen von Frauen, die auch mir dem Stricken anfangen wollten aber nicht über Schals hinaus kamen. Also ja, ich denke es gibt viele, die gern Stricken lernen möchten, sich mit Material und Mustern eindecken und auf Social Media entsprechenden Kanälen folgen.
Wenn die Anbieterinnen aus dem Quark kommen und sich ein paar Dinge von Schnittmusterdesignern anschauen, könnte aus diesem Trend eine langfristige Sache werden.
So würde ich das einschätzen.
Hui, das hält tatsächlich vom Stricken anfangen ab. Aber ich denke, es wird (wie vermutlich zu Beginn des Näh-Hypes auch) davon ausgegangen, dass viele irgendwann mal Stricken gelernt haben. Aber das ist halt leider lange nicht mehr so. Ich erinnere mich, dass ich drei Anläufe in der Schule genommen habe und ich kann es bis heute nicht.
Nichtsdestotrotz ist dein Pullover richtig super geworden!
LG Miriam
Ich finde, dein Pulli ist dir wirklich gut gelungen. Ich habe andere Erfahrungen mit Strickanleitungen gemacht. Es gibt echt viele Designer, die sehr gut ausgearbeitete Anleitungen erstellen, da sonst niemand wieder bei Ihnen kaufen würde und der Markt insgesamt (z.B. ravelry) riesig ist. Gute deutsche Anleitungen gibt es z.B. bei Makerist.
Kannst du mir konkrete Anbieter nennen? Auf ravelry war ich und hatte einige der bestbewerteten gekauft. Ich hatte da leider kein Glück
Das Cocoknits Buch habe ich auch, und der Emma Sweater war das erste Modell daraus, das ich gestrickt habe. Gefolgt vom Cardigan Lizzy. Im Gegensatz zu dir finde ich die kurzen Anleitungen allerdings meist völlig ausreichend. Fotoanleitungen für jeden Schritt wären mir zu viel, das würde mich eher abschrecken, da viel zu umständlich. Am Anfang ist es sicher gewöhnungsbedürftig, aber man kommt schnell rein in die Abkürzungen, denn alle verwenden die gleichen (allerdings sind die englischen Abkürzungen gebräuchlicher und meist auch logischer). Bei den meisten Anleitungen, die ich besitze, ist auch ein Glossar dabei, und die eher ungewöhnlichen Maschen sind erklärt. Oft auch spezielle Techniken extra. Und wenn ich mal gar nicht weiß, schaue ich nach was das Netz so bietet. Viele der Designer haben auch einen Videokanal und zeigen dort Tipps und Tricks. Wobei ich persönlich meist Fotos Videos vorziehe. Und der Stricktrend ist seit Jahren da, muss man nur auf Ravelry schauen. Bisher vermischen sich die beiden Blasen allerdings nicht allzu sehr, Nähen und Stricken. Deshalb kommt es dir vermutlich so vor, als würde der Trend jetzt erst starten.
Dein Strickerstling jedenfalls ist gut gelungen. Die Farbe ist toll, schade dass sie so stark ausblutet.
Liebe Grüße, heike
Im Nähen nerven mich die sehr ausführlichen Anleitungen auch manchmal. Aber dann mache ich mir bewusst, dass es für mich einfacher ist, diese zu überspringen als für einen Anfänger darauf zu verzichten.
Wow, ich finde Dein Erstlingswerk wirklich sehr gelungen! Es hat mir Spaß gemacht, Deinen Weg bis zur Fertigstellung zu lesen.
Ich habe stricken als Jugendliche gelernt, mir aber tatsächlich nie die Fähigkeit angeeignet, Formen hinzubekommen. Da hat’s vielleicht auch an verständlichen Anleitungen gefehlt – wer weiß…
Toll, dass Du nicht aufgegeben hast! Bin gespannt was da noch kommt 😉
Liebe Grüße, Sabine
Hallo, ich stricke seit über 60 Jahren. Vor zwei Jahren habe ich in einem Kirchencafè einen offenen Steickkreis ins Leben gerufen. Die mittlerweile 12 Strickfreundinnen konnten alle mehr oder weniger gut stricken. Was ich aber immer mal wieder feststelle, ist die mangelnde Bereitschaft, sich mal mit den Anleitungen in den einschlägigen Heften grundsätzlich auseinanderzusetzen. Denn wenn man das einmal richtig intus hat, kann man jedes Teil nachstricken!
Stimmen Garn und Nadelstärke oder die gewünschte Größe nicht mit der Anleitung überein, kann man umrechnen, aber das muss man ja bei der o a. Methode ja auch. Aber oft ist es ja so, dass das vorgestellte Modell mit dem vorgeschlagenen Material gefällt und es werden in fast allen Fällen Anleitungen in unterschiedlichen Größen aufgeführt.
Das heißt: Sich einmal mit dem Schema der Anleitungen und Abkürzungen vertraut machen und schon geht es los.
Bei mir funktioniert das sowohl beim Stricken als auch beim Nähen. Mit Häkeln habe ich wenig Erfahrung, da ich es nicht gerne mache. Habe aber schon gemerkt, dass es auch dort Anleitungen gibt, schriftlich oder Zeichnungen z.B. bei Rundhäkeln. Mein Tipp ist, dass es sich lohnt, sich mit diesen Anleitungen vertraut zu machen, dann kann man wunderbare Modelle nacharbeiten.
Einmal gelernt, profitiert man sein ganzes „Strickleben“ davon.
Liebe Grüße
Veronika
Menschen, die etwas neues probieren „mangelnde Bereitschaft“ vorzuwerfen, finde ich nicht fair. Menschen lernen und verstehen unterschiedlich, manchen fällt es schwerer und andere brauchen verschiedene Lehrmethoden, um etwas zu verstehen.
Das mit dem Umrechnen finde ich dafür großartig. Genau wie bei Schnittmustern, gefällt mir auch bei Strickdesigns nichts so ganz exakt wie im Modellbild 😆
[…] 0 By Sam Sunsetred Stricken 13. April […]