Ich gehe endlich mal wieder auf ein LARP (LiveActionRolePlay), diesmal ist das Setting eine Hochzeit im Jahre 1957. Spontan sah ich mich in Petticoats und Tellerröcken. Ein Eintauchen in die Modegeschichte belehrte mich aber über eine unglaubliche Vielfalt und Innovation dieser Epoche!
1950-er Jugendkultur
Vor allem die Jugend wollte mit Etikette und starren Regeln brechen. Nach Zeiten der Not sehnten sich viele Menschen nach Vergnügen und Leichtigkeit. Schwingende Tellerröcke und fröhliche Stoffe mit bunten Drucken waren beliebt. Als Brigitte Bardot 1959 in einem einfachen Baumwollkleid im Vichykaros heiratete, war dieser Trend nicht mehr aufzuhalten. Bereits in den 40-ern waren Hosen und Hemden bei Frauen Alltag geworden. Was damals eine Notwendigkeit war, da Frauen als Arbeitskräfte benötigt waren und schicke Kleidung einfach keine Priorität hatte, wurde in den 50-ern zur Mode. Erstmals war Unisex Kleidung in Form von Jeans und Oberhemden wirklich Mode – absolut revolutionär.
Ich hab mal wieder Canva angeschmissen und mir daraus ein Visonboard gebaut.
Ich dachte dieser Look wird ein Selbstläufer. Einen Tellerrock habe ich schon. Diesen roten Rock aus Tenceltwill habe ich schon seit Jahren und trage ich wirklich oft. Allerdings zeigten mir die Fotos überraschend deutlich, dass er sich über die Zeit nochmal etwas ausgehangen hat und der Saum arg ungleich ist. Guter Anlass das mal zu überarbeiten. Und natürlich fehlt mir noch ein Petticoat.
Dazu gab mein Fundus einen perfekt passenden roten Baumwollstoff mit Vichykaros her. Nur ein knapper Meter aber das Muster erlaubt die Fadenrichtung zu ignorieren. Ebenfalls vorhanden und bereits getestet ist der Schnitt Elisa von fibremood. Eine einfache Bluse mit Reverskragen und ohne Abnäher, die damit absolut als Unisexmodell durchgeht. Leider erwies sich der Stoff auf der Haut als ganz schön kratzig. Ich bin mir nicht sicher ob dieses Outfit tatsächlich zum Einsatz kommt.
1950-er Jahre Strickkleider
Während der Kriegsjahre hatten viele Frauen Stricken gelernt. Nun wurde diese Fähigkeit eingesetzt, um die neuesten Sillouetten der großen Modedesigner nachzustricken. Letztlich wurde auch aus dieser praktischen Fähigkeit Trend und von Modehäusern aufgegriffen. Auch der Verkauf von Konfektionsware, anstatt individueller Fertigung erlebte einen Boom und erstmals wurden Modetrends erschwinglich zu kaufen.
Als Gegenstück zu den beliebten Tellerröcken waren wadenlange Pencilskirts ebenso populär. Ich glaube eine solch gegensätzliche Mode zur gleichen Zeit war ein weiteres Novum in dieser Epoche.
Im Visionboard oben links ist ein Bild aus meinem Buch zur Modegeschichte welches mich besonders angesprochen hat. Dieses schlichte Pulloverkleid wollte ich wahnsinnig gern nachnähen. Schon allein weil es gekürzt gleich ein nettes Herbstkleid ist. Stricken kann ich nicht also waren 2m Bene von Swafing in Mintgrün aus meinem Fundus eine gute Option. Das Oberteil ist mein immer wieder verwendeter, angepasster Shirtschnitt. Der Rock stammt vom Kleid Aurora und wurde um 17cm verlängert. Meine Güte was ich mit dieser Rocklänge haderte.
Auf meinem Inspirationsbild trägt die Dame eine Schluppenbluse mit großer Schleife unter ihrem Kleid. Das erschien mir zu warm und zu aufwändig. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreuten sich damals kleine Halstücher. Da hab ich was passendes im Schrank gefunden.
Zusammen mit meiner selbstgenähten Handtasche von Bags and Pieces, einem schmalen Gürtel und Handschuhen finde ich mein Gesamtoutfit ziemlich überzeugend für die Dekade. Da gibt es dann ganz unauthentisch noch ein paar Farbbilder. Dafür dass das der Look war, an dem ich am meisten zweifelte, ist es wirklich überraschend mein LIeblingslook geworden. Wenn es nicht zu warm wird, dann bin ich damit gut gerüstet.
Dior New Look
Frauen hatten in den vorangegangenen Jahrzehnten zwangsläufig mit angepackt und sich auch in “Männerberufen” bewährt und bewiesen. Das neue Selbstbewusstsein der Fraen zeigte sich in vielen Modeströmungen. Diors Blütenkelchlinie war dagegen zutiefst reaktionär und verwandelte Frauen wieder in zarte Prinzessinnen. Sogar Korsagen kamen wieder zum Einsatz. Damit war der Begriff New Look eigentlich unpassend. Es gab sogar Demonstrantinnen die gegen die verschwenderischen Stoffmengen für üppige Röcke demonstrierten und sie Models vom Leib rissen. Dennoch waren opulente Designs mit schmalen Taillen und aufregenden Dekolletés besonders in der Abendmode gefeiert.
Ich hab nahezu ewig nach Schnitt und Stoff gesucht. Am Ende wurden es eine Menge Kompromisse. Der erste Schnittmustertest wurde das Liz Dress von Charming Patterns. Leider ein kompletter Fehlschlag. Zum Glück hatte ich ein Testmodell genäht. Das untere Brustteil war zu groß (obwohl es extra verschiedene Schnittteile für die Cupgrößen gibt), das darüberliegende Band jedoch zu eng. Die speziell geformten Träger hatten gar keinen Halt aber unter den Armen kniff es ganz arg. Gleichzeitig zu klein und zu groß. Bei der komplexen Schnittführung, nah an Origami, wusste ich nichtmal wo ich hätte anfangen sollen mit Anpassungen. Also wer dieses Kleid nähen will, braucht Zeit und Geduld für Anpassungen!
Nach viel hin und her fand ich auf meinem Burda Merkzettel dieses Top mit Bustieroptik. Die Faltenlegung an den Ärmelchen, der tiefe Rundausschnitt (wenn man diese Flappen weglässt) und die mehrteiligen Wiener Nähte fand ich sehr aussichtsreich. Burda überraschte mich im Testmodell mit keinerlei Anpassungsnotwendigkeit.
Auch meine Stoffwahl ist nicht so richtig optimal. Eigentlich gehörte zum NewLook eher feste Stoffe wie Brokat oder schwere Dupionseide. Davon passte nichts in mein Budgt. Günstige Kunstfaser im Sommer lockt mich auch nicht. Also entschied ich mich für eine sommerliche Abwandlung aus Viskose in Leinenoptik. Das ist nicht ganz der Look den ich wollte aber dafür kann ich es definitiv später als Sommerkleid tragen. Für meinen Event muss noch ein Petticoat her, um den 50-ies Look etwas mehr rauszukitzeln.
Ich hoffe mein kleiner Exkurs in Modegeschichte hat euch gefallen.
Falls jemand Ideen hat wie ich die Outfits mit Acessoires oder ähnlichem authentischer gestylt bekomme, immer her mit Ideen! Ich übe mich derweil mit Vintage Haar- und MakeUp Tutorials (Himmel hilf, nicht mein Talent).
Schönste Grüße an den MeMadeMittwoch, mal sehen ob es dort schon erste Herbstkleider zu sehen gibt.
Sam
Eine großartige Blogbeitrag. Danke dabür. Und die entstandenen Kleidungsstücke gefallen mir auch sehr an dir.
Mema
Deine Inspirationen hast du toll umgesetzt und die Herleitung fand ich total spannend. Und: du siehst ungemein hübsch und weiblich in den Outfits aus!!
Ganz liebe Grüße Anke
Hm, wenn wir nicht so weit auseinander wohnen würden, würde ich dir liebend gerne das Marvelous Mrs. Maisel Costumes book leihen, das ist wirklich genial für sowas. Ich schau daheim mal, ob ein paar spannende Bilder drin sind, die ich dir schicken kann. Mein erster Tipp, Entourage Ohrclipse! Toller Post, schöne Outfits und hadere nicht mit der Rocklänge, sie passt gut.
Grüße, Tina
Eine tolle Rückschau auf die 50-iger mit passender heute genähter Kleidung. Bei deinem oberen s/w Foto habe ich direkt an ein ähnliches von meiner Mutter und ihren Freundinnen aus den 50-igern gedacht. Also der Look passt! Viel Spaß bei eurem Larpevent! LG Gabi
Toller Post, alles wie immer sehr spannend zu lesen, danke
Sehr spannend und wie aufwendig in der Vorbereitung – wie habe ich mir das denn vorzustellen: findet man solche LARPS wie offene Nähtreffen oder entscheidet sich ein Freundeskreis dafür …
Die Veranstaltungen werden meist von kleinen Vereinen organisiert. Es gibt LARP Kalender wo man diese dann findet und schauen kann welches Setting einem zusagt. Dann meldet man sich da einfach an.
Dabei muss man übrigens nicht soviel Aufwand um die Klamotten betreiben. Viele gaben da Spass dran aber es ist auch voll okay wenn man im Secondhand Shop improvisiert.
Sehr schöne Kleider und definitiv nicht nur für ein LARP geeignet. Danke für den spannenden Post.
LG, Stefanie
Die Rock-Bluse-Kombination gefällt mir am besten, vor allem die Bluse. Schade, dass der Stoff etwas kratzt. Und das ikonische Kleid, das gemeinhin mit den 50s gleichgesetzt wird, hast du gut auch ohne Originalschnitt umgesetzt. Es gibt einige Vintage Schnitte wieder in Neuauflage, ich habe z.B. von Butterick und auch von Vogue ein paar. Aber warum extra Schnitt kaufen, wenn man doch kreativ ist und anpassen kann? Also alles richtig gemacht. Viel Spaß beim LARPen.
Liebe Grüße, heike
Wow! Gut siehst du aus. Drei Kombis für eine Veranstaltung, da wirst du allen die Show stehlen. Vielen Dank für die viele Hintergrundinfo. Sowas mag ich wirklich gerne.
LG Miriam
Ich habe deine Bilder regelrecht angeschmachtet. Du siehts umwerfend in allen drei Outfits aus. Musste gerade Google befragen, was das für eine Veranstaltung ist. Dankeschön für deine Zeitreise. Sehr inspirierend.
Ganz lieben Dank für diese netten Worte!
😊